Verfolgung in München
Die Machtübernahme der Nationalsozialisten im Januar 1933 war der Auftakt rechtlicher Ausgrenzung, sozialer Stigmatisierung und gewaltsamer Verfolgung ungeahnten Ausmaßes. Die verfassungsrechtliche Ordnung wurde zerschlagen; Verwaltung, Justiz, Polizei, Presse und Institutionen wurden gleichgeschaltet. Offene Gewalt gegen politisch Andersdenkende und Minderheiten bildete den Markenkern des Regimes. Antisemitische Hetze erhielt hoheitliche Legitimation. Ausgrenzung, Verfolgung und Terror konnten dank unzähliger willfähriger Helfer in Amtsstuben und Behörden höchst effektiv und bürokratisch in die Tat umgesetzt werden.
Am 9. März 1933 wurde auch in Bayern die demokratisch legitimierte Regierung ausgeschaltet. Am Folgetag trieben SS-Schergen den blutig geschlagenen jüdischen Rechtsanwalt Dr. Michael Siegel mit abgeschnittenen Hosenbeinen und einem demütigenden Schild um den Hals durch die Münchner Innenstadt – ein Foto, das die Quälerei des angesehenen Juristen dokumentierte, ging kurz darauf um die Welt. Und blieb doch folgenlos.
Die jüdischen Deutschen wurden in der Folgezeit mit eilfertiger Systematik und atemberaubender Präzision zu gesellschaftlichen Außenseitern gemacht. In München, das als „Hauptstadt der Bewegung“ eine besondere antisemitische Selbstverpflichtung übernommen hatte, wurden jüdische Bürgerinnen und Bürger mit schonungsloser Konsequenz diskriminiert, entrechtet, beraubt, vertrieben und am Ende in den Tod deportiert.
Als am 30. April 1945 amerikanische Truppen in München einmarschierten, war die einstmals blühende jüdische Gemeinde zerstört. Viele jüdischen Münchnerinnen und Münchner hatten sich ins Exil retten können. Etwa 3.000 Männer, Frauen und Kinder waren an den Tötungsstätten in Osteuropa ermordet worden.