„Judensiedlung" Milbertshofen – (Wohn-, Sammel- und Durchgangslager für Juden)
Knorrstraße 148
Das Barackenlager an der Knorrstraße 148 im Stadtteil Milbertshofen wurde im Frühjahr 1941 auf Initiative der so genannten „Arisierungsstelle“ des Gauleiters und in enger Abstimmung mit der Stadtverwaltung und der Gestapo errichtet. Zwangsverpflichtete jüdische Arbeitskräfte mussten das Lager aufbauen ohne dafür eine Bezahlung zu erhalten. Die Bauleitung übernahm die Münchner Stadtverwaltung. Ausgeführt wurde der Bau durch die Firma Hinteregger. Die Baukosten wurden von der Stadt bevorschusst und von der „Arisierungsstelle“ binnen eines Jahres zurückgezahlt. Zu diesem Zweck verlangte die „Arisierungsstelle“ von der Israelitischen Kultursgemeinde für jeden Lagerinsassen eine tägliche Wohngebühr und erpresste von einzelnen jüdischen Personen „freiwillige Spenden zum Bau des Lagers“. Allerdings beliefen sich diese den Juden abgenötigten Abgaben auf ein Vielfaches der tatsächlichen Baukosten.
Das auf einem Areal von mehr als 14.000 qm errichtete Barackenlager bot etwa 1.100 Personen Platz (war aber wiederholt überbelegt). Ohne Genehmigung durfte niemand das Lager verlassen. Ursprünglicher Zweck der „Judensiedlung Milbertshofen“, so die amtliche Bezeichnung des Lagers, war die Ghettoisierung der Münchner Juden, die seit Ende 1938 systematisch aus ihren Wohnungen und Häusern vertrieben wurden, um Wohnraum für „arische“ Interessenten oder „verdiente“ Parteigenossen freizumachen. Innerhalb von nur einem Jahr wurde mit Hilfe des Lagers in Milbertshofen, der „Heimanlage für Juden“ in Berg am Laim sowie weiteren Gemeinschaftsunterkünften und sogenannten „Judenhäusern“ ein Großteil der jüdischen Bevölkerung Münchens „ghettoisiert“.
Ab Ende des Jahres 1941 diente das streng abgeschlossene Barackenlager, als Sammelstelle für die nun einsetzenden Deportationen. Der erste Transport in den Tod verließ München im November 1941 vom nahegelegenen Güterbahnhof Milbertshofen. Die etwa 1.000 Männer, Frauen und Kinder des Transportes ermordetet die SS am 25. November 1941 im litauischen Kaunas. Auch der zweite Transport aus München nach Piaski am 4. April 1942 wurde über das Lager Milbertshofen abgewickelt. Mehr als die Hälfte der 776 Deportierten kamen aus dem schwäbischen Raum und waren bereits einige Tage vor dem Transport nach Milbertshofen verlegt worden. In den drei Monaten von Juni bis August 1942 deportierten die Nationalsozialisten in 24 Transporten zu je 50 Personen weitere rund 1.200 Juden aus München und Schwaben nach Theresienstadt. Auch diese Transporte wurden im Barackenlager in der Knorrstraße 148 zusammengestellt. Die Gestapo holte die betreffenden Personen mit Omnibussen und Möbelwagen ab und brachte sie an den Hauptbahnhof oder den Güterbahnhof in Laim, wo sie in einem Personenwagen dritter Klasse, der an einen regulären Zug angehängt wurde, nach Theresienstadt verschickt wurden.
Bei ihrer Ankunft im Barackenlager Milbertshofen wurden die für die Deportation vorgesehenen Personen einer Leibesvisitation unterzogen. Den Betroffenen war die Mitnahme von 50 kg Gepäck gestattet worden; als „Reisekosten“ in die Todeslager waren zusätzlich 50 Reichsmark zu entrichten. Gestapobeamte, Mitarbeiter der „Arisierungsstelle“ und der Finanzverwaltung durchsuchten das mitgebrachte Gepäck, um zu verhindern, dass die Menschen Wertsachen, Schmuck, Fotoapparate und Geld mitnahmen. Zahlreiche Gegenstände wurden beschlagnahmt oder von den Beteiligten geraubt.
Nachdem im August 1942 die jüdische Gemeinde durch Emigration und Deportation nahezu vollständig ausgelöscht war, wurde das Barackenlager aufgelöst. In der Folgezeit nutzten es die Bayerischen Motorenwerke (BMW) als Unterkunft für ausländische Zwangsarbeiter. Nach 1945 waren hier bis Ende der 1950er Jahre Flüchtlinge untergebracht. Reste des Lagers nutzte später das städtische Wohnungsamt zur Unterbringung von Obdachlosen.
Von dem Lagerareal sind heute keine baulichen Überreste mehr vorhanden. An der Troppauer Straße erinnert eine Skulptur in Form einer großen Menora an die Funktion des Ortes als Sammel- und Durchgangslage für Juden sowie an das Schicksal seiner Insassen.