Kaunas (Litauen), Fort IX
In Litauen wurden unter deutscher Besatzung mindestens 136.421 jüdische Menschen ermordet. An diesen Verbrechen beteiligten sich neben den deutschen Einheiten auch litauische Kollaborateure. Bei den Mordaktionen kam der zweitgrößten und ehemaligen Hauptstadt Litauens besondere Bedeutung zu. Die Festungsstadt Kaunas (russ. Kowno / dt. Kauen) hatte vor Kriegsbeginn eine blühende jüdische Gemeinde. Ab 1941 wurde Kaunas für viele litauische, deutsche und europäische Jüdinnen und Juden zum Ort ihres gewaltsamen Todes. Die unter deutschem Befehl stehenden Mordkommandos machten sich dabei die ehemaligen Verteidigungsanlagen der Stadt zunutze. Diese befestigten Forts rund um die Stadt wurden zu Gefängnissen und Hinrichtungsstätten umfunktioniert. Allein 1944 wurden dort mehr als 50.000 Menschen ermordet.
Der erste Transport aus München am 20. November 1941 war ursprünglich für das Ghetto Riga vorgesehen worden. Da dieses aber bereits überfüllt war, wurde der Transport kurzfristig nach Kaunas umgeleitet. In den frühen Morgenstunden des 20. November 1941 verließ der Zug den Güterbahnhof Milbertshofen. Zuvor waren schon seit Tagen die zur Deportation bestimmten Menschen in das nahegelegene Barackenlager für Juden in der Knorrstraße 148 verschleppt worden, das von nun an als Sammellager für die Deportationen diente. Die Betroffenen durften 50 kg Gepäck mitnehmen und mussten 50 Reichsmark für die „Reisekosten“ entrichten. Als Zweck der „Reise“ wurde den Menschen die Verschickung zum Arbeitseinsatz an einen noch unbekannten Ort im Osten vorgegaukelt. Der Transport erreichte am 22. November seinen 1.300 km entfernten Bestimmungsort Kaunas. Die Hinrichtung erfolgte in Fort IX, sechs km nordwestlich der Stadt, zwei Tage nach der Ankunft am 25. November 1941. Die Befehle für die Massenmorde in Kaunas gab der Chef des Einsatzkommandos 3 der Einsatzgruppe A, SS- Standartenführer Karl Jäger. Durch Jägers gefühlskalten, bürokratisch exakten Bericht, der nüchtern Zahl und Herkunft der durch sein Kommando ermordeten Menschen aufzählt, ist bekannt, dass niemand aus München diesen Transport überlebt hat. Jüdische Männer aus dem Ghetto Kaunas mussten 1943 die Exhumierung der Getöteten vornehmen und die sterblichen Überreste verbrennen, um die Spuren des Massenmords zu beseitigen.
Gegen Jäger, der nach dem Krieg jahrelang unbehelligt unter seinem eigenen Namen in Deutschland lebte, wurde erst 1959 ein Verfahren eingeleitet. Er nahm sich wenig später in der Untersuchungshaft das Leben. Heute erinnert im ehemaligen Fort IX eine von der Münchner Künstlerin Beate Passow entworfene Gedenktafel an das Schicksal der dort ermordeten Münchner Juden.