Synagoge der osteuropäischen Juden
Reichenbachstraße 27

Um 1900 erlebte die Israelitische Kultusgemeinde München ein starkes Wachstum. Eine beträchtliche Zahl der nach München zuziehenden Juden stammte aus Osteuropa. Diese ostjüdischen Neumünchner, die sich zum Großteil in der Isarvorstadt niederließen, entwickelten rasch den Wunsch nach einem eigenen Gotteshaus. Es waren vor allem die beiden stark traditionell ausgerichteten Betvereine „Agudas Achim“ und „Linath Hazedek“, die in den 1920er Jahren energisch den Bau einer neuen Synagoge für die etwa 2.300 Münchner „Ostjuden“ einforderten.

1914 hatten die beiden Vereine in der Reichenbachstraße einen Betsaal eingerichtet, der schon bald den Bedürfnissen der wachsenden ostjüdischen Gemeinschaft nicht mehr genügte. Daher erhielt Ende der 1920er Jahre der junge jüdische Architekt Gustav Meyerstein den Auftrag für einen Neubau im Hinterhof der Reichenbachstraße 27. Am 5. September 1931 wurde das neue Gotteshaus, das 330 Männerbetstühle und 220 Frauenbetstühle umfasste, eingeweiht. Meyerstein war mit dem dreischiffigen Sakralbau ein bemerkenswertes, ganz im Stil der Neuen Sachlichkeit gehaltenes architektonisches Kleinod gelungen. Alfred Neumeyer, Vorstand der Kultusgemeinde, beglückwünschte Erbauer und Architekt „zur Fertigstellung des meisterlich schönen Hauses, das, entstanden in einer Zeit schwerster Not durch die Opferwilligkeit eines kleines Kreises“ die Lebenskraft der jüdischen Gemeinde beweise. Für die jüdische Presse verkörperte der Neubau „ein Zeichen jüdischer Lebenskraft in schwerster Zeit, als Zeichen des jüdischen Willens zur jüdischen Herkunft“.

Der aus diesen Worten unschwer herauszulesende Zweckoptimismus in einer Zeit wachsender judenfeindlicher Politik war indessen vergeblich. Während der „Reichskristallnacht“ vom 9. zum 10. November 1938 drangen marodierende und brandschatzende SA-Männer auch in das Gotteshaus an der Reichenbachstraße ein, verwüsteten das Innere und legten Feuer. Nur das rasche Eingreifen der Feuerwehr aus Sorge um die angrenzenden Gebäude verhinderte Schlimmeres. Vorübergehend fand in den Synagogenräumen die Anlernwerkstatt für jüdische Jugendliche Zuflucht.

Nach 1945 wurde die letzte verbliebene Münchner Synagoge wiederhergestellt. Am 20. Mai 1947 konnte das Gotteshaus in Anwesenheit höchster Repräsentanten der amerikanischen Militärregierung feierlich wiedereröffnet werden. Bis Ende 2006 diente es der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern als Synagoge. Die neue Hauptsynagoge „Ohel Jakob“ (Zelt Jakobs) wurde am 9. November 2006 am St.-Jakobs-Platz im Herzen der Münchner Innenstadt eingeweiht. Seit 2011 bemüht sich der Verein „Synagoge Reichenbachstraße e.V.“ um die Restaurierung und Wiederbelebung der inzwischen denkmalgeschützten Synagoge an der Reichenbachstraße.