Transit-Ghettos im Bezirk Lublin: Izbica

Die 57 Kilometer südöstlich von Lublin gelegene Ortschaft Izbica wurde im 18. Jahrhundert von jüdischen Siedlern gegründet. Wie auch das nahegelegene Piaski lag Izbica in einer rein landwirtschaftlich genutzten Region. Nach der Besetzung durch die Deutschen erklärten diese die gesamte Ortschaft Izbica zum Ghetto. Mehr als 85 Prozent der Bewohner waren Juden, der sehr arme Ort hatte nur eine einzige Durchgangsstraße. Er war überdies durch drei Bergketten und einen Fluss natürlich eingegrenzt. Dadurch reichten wenige Wachen aus, um die Bewohner am Verlassen des Ghettos zu hindern.

Im Winter 1940/41 verschleppten SS und deutsche Polizei Juden aus Lublin, den umgebenden Ortschaften und dem Warthegau in das Ghetto. Ab März 1942 erfüllte Izbica die Funktion eines Transit-Ghettos für die Vernichtungslager Sobibor und Belzec. Leiter des Ghettos war der Chef der Gestapo des Bezirks Krasnystaw, SS-Hauptsturmführer Kurt Engels, der sich an zahlreichen Morden beteiligte. In Izbica endeten bis Juni 1942 die Deportationszüge mit insgesamt etwa 18.000 Menschen aus dem Ghetto Theresienstadt, aus der Slowakei, aus Luxemburg und aus dem Deutschen Reich. Aus Deutschland kamen Deportationszüge aus dem Rheinland (22. März, 22. April und 24. April), Nürnberg (24. März), Würzburg (24. März und 25. April), Bamberg (25. April), Wien (9. April, 12. und 15. Mai, 5. Juni), Breslau (13. April), Südwestdeutschland (24. April), Hessen (8. und 24. Mai, 15. Juni) sowie aus Berlin, Halle und Chemnitz. Auch einige der Münchner Jüdinnen und Juden wurden von Piaski nach Izbica verlegt, mindestens 31 von ihnen wurden dort ermordet. Bis zur Auflösung durchliefen etwa 26.000 Menschen das Ghetto.

Hugo Kolb, Transportführer des Deportationszuges aus Nürnberg und Mitglied des Judenrates in Izbica, schilderte nach der Ankunft im Ghetto in einem Bericht an ein Mitglied der Kultusgemeinde in Nürnberg die unhaltbaren Zustände im Ghetto. Er beschrieb den Ort als völlig verwahrlost, ohne Kanalisation, mit einem enormen Mangel an Nahrungsmitteln – dafür aber überfüllt mit Ratten, Mäusen, Flöhen und Wanzen. Ende März 1942 war er einer der Unterzeichner eines Briefes des Ghetto-Judenrates an die Israelitische Kultusgemeinde in Würzburg. Es wurde dringend um die Übersendung von Geldzuwendungen, Paketen mit Bekleidung, Wäsche und Lebensmitteln gebeten. Allerdings untersagte die SS den ausländischen Deportierten im Mai 1942 bei Todesstrafe mit ihren Angehörigen zu korrespondieren. Die Lebensumstände in Izbica entsprachen denen in Piaski. Das Verbot von Engels, den Menschen das Gepäck nach der Ankunft auszuhändigen oder mit der nichtjüdischen polnischen Bevölkerung außerhalb des Ghettos zu handeln, verschärfte die existentielle Not zusätzlich. Infolge schwerer Differenzen zwischen den nationalen Gruppen aufgrund der massiven sozialen, kulturellen und religiösen Unterschiede gab es in Izbica u. a. zwei Judenräte, einen für die einheimischen polnischen Jüdinnen und Juden und einen für die aus dem westeuropäischen Gebiet Deportierten. Die Ghettopolizei besetzten die Deutschen fast ausschließlich mit tschechischen und deutschen Juden, was die Kluft zu den Einheimischen weiter vertiefte.

Die erste Deportation nach Belzec am 24. März 1942 umfasste zunächst 2.200 polnische Juden. Vom 12. bis 15. Mai 1942 verschleppte die SS hunderte Männer in das KZ Majdanek und etwa 400 Menschen nach Sobibor. Vor allem ältere Menschen und Kinder ließ sie am 8. Juni 1942 in Belzec ermorden. Auch Juden aus dem Reichsgebiet wurden an diesem Tag in das 50 km entfernte Vernichtungslager Belzec deportiert. Die größte Deportation reichsdeutscher Juden dorthin fand am 15. Oktober 1942 statt, als mehr als 5.000 Personen in den Tod geschickt wurden. Weitere Deportationsziele waren die Vernichtungslager Chelmno und Treblinka. Aber auch im Ghetto drohte den Bewohnern Gefahr, immer wieder kam es zu Exekutionen. Die letzte Erschießungsaktion fand Anfang November 1942 statt. An die 2.000 Menschen wurden auf dem örtlichen Friedhof erschossen. Am gleichen Tag wurden 1.750 Personen nach Belzec deportiert. An den Deportationen waren SS, Gestapo und Trawniki-Männer beteiligt. Die Deutschen lösten das Ghetto am 23. April 1943 auf und verschleppte die letzten Bewohnerinnen und Bewohner nach Sobibor.