Vernichtungslager Treblinka
Das Lager Treblinka war das größte Lager der „Aktion Reinhardt“ und nach dem Vorbild der zwei Todeslager Belzec und Sobibor erbaut. Die Entscheidung, ein drittes Vernichtungslager für die „Aktion Reinhardt“ zu schaffen, geht auf eine Besichtigung des Ghettos Warschaus durch Heinrich Himmler zurück. Das Vernichtungslager Treblinka nordöstlich von Warschau lag nahe der Ortschaft Treblinka in einem bevölkerungsarmen Gebiet südlich von Malkinia, einer Eisenbahnstation an der Hauptstrecke Warschau-Bialystok. Das Gelände war dicht bewaldet und somit gegen Einsicht von außen abgeschirmt. Im Sommer 1941 hatte die SS bereits das Zwangsarbeitslager Treblinka 1 unweit des späteren Vernichtungslagers errichten lassen. Dort mussten Polen und Juden in Steinbrüchen arbeiten, die die SS neben Menschen aus den Lagern Belzec und Sobibor zum Aufbau des Vernichtungslagers heranzog. Der Aufbau vollzog sich unter der Leitung eines Arztes der „Aktion T4“, Irmfried Eberl, und dem Baureferenten der “Aktion T4“, SS-Hauptsturmführer Richard Thomalla. Im Lager I befanden sich die Kommandantur und Wohnbaracken der SS, die Baracken der Trawniki-Männer, die Bäckerei, der „Zoo“ mit einheimischen Wildtieren und verschiedene Vorratslager. In Lager III waren einerseits das in sich geschlossenen Lager für jüdische Spezialisten, die z. B. für die SS verschiedene Luxuswaren anfertigen mussten, sowie der Sammlungs- und Auskleideplatz, der Sortierplatz für das Eigentum der Opfer, die Lazarett genannte Hinrichtungsstätte sowie der „Schlauch“ genannte Weg zu den Gaskammern. Die Tötungsanlagen und Massengräber lagen in Lager II, wo auch die Häftlinge des jüdischen Sonderkommandos untergebracht waren.
Das Vernichtungsprogramm in Treblinka begann am 22. Juli 1942 mit der Ermordung von Jüdinnen und Juden aus dem Warschauer Ghetto. Aus diesem Ghetto verschleppten die Deutschen zunächst bis zum 3. Oktober 1942 sowie zwischen Januar und Mitte Mai 1943 329.000 Menschen nach Treblinka. Die Züge mit den zur Vernichtung bestimmten Personen erreichten das Lager auf eigens dafür angelegten Gleisen. Um unter den Deportierten keine Unruhe aufkommen zu lassen und den Charakter des angekündigten Durchgangslagers zu unterstreichen, diente ein an der Rampe errichteter angeblicher Umsteigebahnhof. Es gab Fahrpläne, Bahnhofsuhren, Lampen. Die Rückseite der Sortierbaracke fungierte als potemkinscher Bahnhof. Hier waren Aufschriften wie „Gaststätte“, „Fahrkartenschalter“, „Telefon“ usw. angebracht. Unter dem Vorwand, aus hygienischen Gründen ein Bad zu nehmen, mussten die Ankömmlinge bereits an der Rampe ihre Kleider ablegen. Durch einen schmalen Weg, den so genannten „Schlauch“, der durch blickdicht mit Zweigen durchflochtenen Stacheldraht gesichert war, wurden die Gefangenen in den südöstlichen Teil des Lagers mit den Gaskammern gebracht. In einem anschließenden Schuppen stand ein Dieselmotor, dessen Abgase über Röhren an den Decken in die als Duschräume getarnten Gaskammern eingeführt wurden. Auf diese Weise wurden in Treblinka täglich bis zu 12.000 Menschen ermordet. Anfang September 1942 übernahm der berüchtigte frühere Kommandant von Sobibor, SS-Obersturmführer Franz Stangl, die Leitung von Treblinka. Unter seiner Ägide wurde der Massenmord in Treblinka „perfektioniert“. Er ließ im Oktober 1942 zehn weitere Gaskammern errichten. In diesem neuen „Gashaus“ verhöhnte die SS ihre Opfer durch einen Davidsstern auf dem Gebäude, Grünpflanzen am Gang und einen Vorhang aus einer Synagoge mit der hebräischen Aufschrift „Dies ist das Tor, durch das die Gerechten eingehen“ ein letztes Mal.
Eine Gesamtstatistik der „Aktion Reinhardt“ des Jahres 1942 belegt die Ermordung von 713.555 Juden in Treblinka. Schätzungsweise sind insgesamt 900.000 Juden und einige tausend Sinti und Roma in Treblinka ermordet worden. Sie kamen überwiegend aus Polen, vor allem aus Warschau, aus den Distrikten Radom, Lublin und Bialystok sowie aus der Slowakei, aus Griechenland, aus dem damals zu Bulgarien gehörenden Mazedonien. Am 2. Oktober 1942 erreichte ein Sammeltransport mit 883 Jüdinnen und Juden aus Darmstadt, Gießen, Mainz und Friedberg das Vernichtungslager. Auch aus Theresienstadt fuhren sechs Transporte nach Treblinka. Mit diesen Transporten kamen 205 Münchner Juden in das Vernichtungslager. Keiner von ihnen hat überlebt.
Die Massenvernichtung in Treblinka wurde bis April 1943 fortgesetzt, danach kamen nur noch vereinzelt Transporte. Anfang März 1943 begann man auf Befehl Heinrich Himmlers, der zuvor das Lager persönlich inspiziert hatte, die Leichen der Opfer zu verbrennen. Unter den jüdischen Häftlingen, die wussten, dass die SS sie bei der Liquidierung des Lagers töten würde, formierte sich Widerstand. Am 2. August 1943 begann der jüdische Aufstand. SS und Trawniki-Männer durchkämmten die gesamte Gegend, um die Entflohenen wieder zu ergreifen. Von den 200 bis 250 Aufständischen überlebten nur 60. Im Herbst 1943 löste die SS das Lager auf. Zur Tarnung der ehemaligen Vernichtungsstätte wurde auf dem Gelände ein Bauernhof errichtet.