Die Deportationen aus München

Die Deportation der Juden war an höchster Stelle beschlossen worden. Hitler selbst hatte sich in diesem Bereich die Entscheidung vorbehalten. Schon früh hatte es Pläne gegeben, die deutschen Juden zum Beispiel nach Madagaskar abzuschieben. Bei der sogenannten „Polenaktion“ Ende Oktober 1938 wies das NS-Regime reichsweit 17.000 Juden polnischer Abstammung aus, die polnische Regierung jedoch verweigerte ihnen die Einreise. Ende 1939 fanden erste noch lokal begrenzten Deportationen statt. So wurden aus Wien im Oktober 1939 die ersten Juden nach Nisko in Polen „umgesiedelt“, im Frühjahr 1940 folgte eine Deportation von Juden aus Stettin nach Lublin und nach dem siegreichen Feldzug gegen Frankreich verschleppten die Gauleiter von Baden und der Saarpfalz die dort etwa 6.500 ansässigen Juden in das Lager Gurs. Die systematische Deportation der deutschen Juden begann schließlich im Oktober 1941. Als Zielgebiete waren die von der Wehrmacht eroberten Gebiete östlich der Reichsgrenze bestimmt.

Für die Durchführung der Deportationen war das Reichssicherheitshauptamt in Berlin verantwortlich, den Ablauf vor Ort koordinierten die örtlichen Gestapo(leit)stellen in Abstimmung mit den kommunalen Behörden. München war somit die Drehscheibe für die Deportationen aus Oberbayern sowie aus dem bayerischen Teil Schwabens. Die erste und größte Deportation aus München fand am 20. November 1941 statt. Mit diesem und den 35 weiteren Transporten verschleppte die Gestapo 3.450 Juden, Frauen, Männer und Kinder jeden Alters über München nach Kaunas, Piaski, Theresienstadt und Auschwitz. 2.559 von ihnen stammten aus der bayerischen Landeshauptstadt. Als Sammelstellen fungierten die beiden Lager in Milbertshofen und Berg am Laim, einzelne Transporte wurden aber auch in der Israelitischen Privatklinik, im Polizeipräsidium Ettstraße und in der Gestapozentrale im Wittelsbacher Palais zusammengestellt. Die ersten beiden Massentransporte mit Sonderzügen der Reichsbahn gingen vom Güterbahnhof Milbertshofen ab, die weiteren Transporte, mit denen meist 50 Menschen in einem Personenwaggon abbefördert und die an reguläre Züge angekoppelt wurden, erfolgten vom Hauptbahnhof und vom Güterbahnhof Laim. Für den Transport am 13. März 1943 nach Auschwitz wurden Viehwaggons verwendet. Mit demselben Zug wurden auch die Münchner Sinti und Roma verschleppt. Nur ein Bruchteil der Deportierten kehrten nach Kriegsende aus den Lagern zurück. Von den ersten beiden Deportationen, mit denen nahezu alle Kinder und Jugendliche deportiert worden waren, überlebte nach heutigem Kenntnisstand niemand.

Den einzelnen Transporten sind die Namen aller Deportationsopfer hinterlegt. Weiterführende biografische Angaben zu diesen Personen werden jedoch nur für die ermordeten Münchner Jüdinnen und Juden angezeigt.

 

 

Transporte aus München 1941–1945 [1]

 

DatumZielGesamtFrauenMännerMünchnerFrauenMänner
20.11.41Kaunas997602395977592385
04.04.42Piaski773475298334216118
03.06.42Theresienstadt503416503416
04.06.42Theresienstadt503416503416
05.06.42Theresienstadt503317503317
10.06.42Theresienstadt502525502525
11.06.42Theresienstadt503515503515
17.06.42Theresienstadt503119503119
18.06.42Theresienstadt503119503119
23.06.42Theresienstadt503515503515
24.06.42Theresienstadt502624502624
25.06.42Theresienstadt5041950419
01.07.42Theresienstadt503515503515
02.07.42Theresienstadt503416503416
03.07.42Theresienstadt503416503416
10.07.42Theresienstadt503119493019
13.07.42Osten (Auschwitz)503416422616
15.07.42Theresienstadt503020503020
16.07.42Theresienstadt502426502426
17.07.42Theresienstadt503416503416
22.07.42Theresienstadt503416493316
23.07.42Theresienstadt503416503416
29.07.42Theresienstadt503119301812
31.07.42Theresienstadt503020000
05.08.42Theresienstadt503218000
07.08.42Theresienstadt503317110
12.08.42Theresienstadt4529161697
13.03.43Auschwitz219148711087533
20.04.43Theresienstadt1816214122
18.05.43Auschwitz68653321
24.06.43Theresienstadt10731073
13.01.44Theresienstadt33211220146
06.04.44Theresienstadt110000
20.02.45  [2]Theresienstadt52163623716
21.02.45  [2]Theresienstadt311813311813
Gesamt  [3] 34472173127425571610947

 

 

Herkunftsorte [4] und Ziele der nicht aus München stammenden Deportierten

 

 GesamtFrauenMännerZiele (gesamt / davon Frauen)
Altenstadt20164Piaski (13), Theresienstadt (7)
Ammerland 110Theresienstadt
Augsburg377220157Auschwitz (98/63), Kaunas (20/10), Piaski (129/74), Theresienstadt (130/73)
Bad Tölz110Theresienstadt
Bad Wörishofen211Theresienstadt
Berchtesgaden110Theresienstadt
Berlin422Auschwitz
Bielefeld 101Piaski
Binswangen770Piaski (5), Theresienstadt (2)
Buttenwiesen412318Piaski (38/21), Theresienstadt (3/2)
Fellheim 281414Piaski (12/5), Theresienstadt (16/9)
Fischach664125Piaski (56/34), Theresienstadt (10/7)
Gauting 110Theresienstadt
Göggingen110Theresienstadt
Hainsfarth1192Piaski (6/4), Theresienstadt (5/5)
Holzhausen am Ammersee110Theresienstadt
Ichenhausen1227844Auschwitz (10/8), Piaski (80/49), Theresienstadt (32/21)
Kempten15105Piaski (10/7), Theresienstadt (5/3)
Krumbach1596Piaski (14/8), Theresienstadt (1/1)
Lindau541Piaski (2/2), Theresienstadt (3/2)
Lindenberg im Allgäu101Theresienstadt
Markt Grafing 110Theresienstadt
Markt Schellenberg101Theresienstadt
Memmingen221111Piaski
Mindelheim211Piaski
München25581611947Auschwitz (111/77), Kaunas (977/592), Osten (42/26), Piaski (334/216), Theresienstadt (1093/700)
Neu-Ulm1055Auschwitz (1/1), Pisaki (7/3), Theresienstadt (2/1)
Neuburg a.d. Donau211Auschwitz
Nördlingen402119Piaski (25/12), Theresienstadt (15/9)
ohne Angabe220Auschwitz, Theresienstadt
Ghetto Litzmannstadt [5]68680Osten (8/8), Auschwitz (60/60)
Otterfing110Piaski
Öttingen853Piaski
Prien am Chiemsee101Theresienstadt
Prutting bei Rosenheim 532Piaski
Stuttgart 110Theresienstadt
Ulm101Theresienstadt
Wallerstein541Piaski (2/2), Theresienstadt (3/2)
Gesamt345021751275 

 

 


[1] Aufstellung nach: Maximilian Strnad, Die Deportationen aus München, in: Münchner Beiträge zur Jüdischen Geschichte und Kultur (Jg. 8, Heft 2) 2014, S. 76–96.

[2] Die auswärtigen Personen wurden zum Teil erst in Augsburg in den von München aus abgehenden Transport eingegliedert.

[3] Zeugenaussagen zufolge wurde eine Person am 16.4.1943 nach Auschwitz deportiert. Dabei handelte es sich vermutlich um eine Strafmaßnahme der Münchner Gestapo. Da dieser Transport durch keine weitere Quelle belegt ist, wurde er nicht aufgenommen. Vgl. korrigierte Aufstellung nach: Strnad: Judensiedlung (wie Anm. 1), S. 142, Anmerkung 164.

[4] Der Herkunftsort bezieht sich auf die in den Deportationslisten angegebene letzte Meldeadresse. Diese sind nicht identisch mit den letzten „frei“ gewählten Wohnorten. In den meisten Fällen handelt es sich dabei um die Lager in Milbertshofen und Berg am Laim sowie um diverse „Judenhäuser“, in denen die Betroffenen auf engem Raum ghettoisiert leben mussten. In den Fällen, bei denen der Herkunftsort außerhalb Bayerns liegt, handelt es sich um Familienangehörige, die zusammen mit ihren Münchner Verwandten deportiert wurden.

[5] Bei den 68 polnischen Frauen handelt es sich um jüdische Frauen aus dem Ghetto Litzmannstadt, die zur Zwangsarbeit in der Flachsröste Lohhof bei München eingesetzt waren. 8 von Ihnen deportierte die Gestapo am 13. Juli 1942 mit dem sogenannten Straftransport. Die restlichen wurden später in Augsburg zur Zwangsarbeit eingesetzt und von dort aus am 18. Mai 1943 über München nach Auschwitz verschleppt.