Israelitische Kultusgemeinde München, Betsaal
Lindwurmstraße 125
Die Verwaltung der Israelitischen Kultusgemeinde München war seit 1888 in neu errichteten Gebäuden in der Herzog-Max-Straße 3-5 unmittelbar neben der Hauptsynagoge untergebracht. Im Oktober 1938, nur wenige Monate nach dem Abriss der Hauptsynagoge, musste die Israelitische Kultusgemeinde auch diese Nachbaranwesen räumen. Ersatzweise wurden der Gemeinde Räumlichkeiten in der ehemaligen Tabakfabrik Abeles GmbH in der Lindwurmstraße 125 zugewiesen. In beiden Obergeschossen wurden Trennwände eingezogen und die Verwaltungsräume der Kultusgemeinde eingerichtet. Der ehemalige Maschinenraum im Erdgeschoss wurde zu einem Betsaal umgebaut, der ca. 500 Menschen Platz bot. Während der „Kristallnacht“ wurden auch diese Räume verwüstet. Schreibmaschinen, Geld und Möbel und die wertvolle Bibliothek wurden entwendet. Oberbürgermeister Karl Fiehler ließ die Umbauarbeiten am Betsaal stoppen. Das Gebäude wurde beschlagnahmt und sollte einer „arischen“ Firma überlassen werden. Erst am 22. November 1938 gab die Gestapo die Räume wieder frei. Wenig später, am 14. Dezember, wurde der neue Betsaal eröffnet, der in „künstlerisch einfacher, würdiger Form (...) das freudige Erstaunen aller Besucher erweckte“. Als Symbol der Geschlossenheit und aus Rücksicht auf den orthodoxen Teil der Gemeinde verzichtete man auf ein Harmonium. Der Chor blieb bestehen.
Im Juni 1942 wurde der Betsaal auf Weisung der Behörden geschlossen. Der „Bezirksstelle Bayern der Reichsvereinigung“, wie die vormals selbstständige Gemeinde nun hieß, verblieb nur der erste Stock des Rückgebäudes. Im zweiten Stock wurden Wohnräume eingerichtet, so dass das Anwesen fortan auch als „Judenhaus“ zweckentfremdet werden konnte. Im Juni 1943 wurde auch die Bezirksstelle aufgelöst. Die Israelische Kultusgemeinde in München hatte aufgehört zu existieren. Als letzter Ansprechpartner für die in München verbliebenen Juden fungierte Theodor Koronczyk. Er war „Vertrauensmann“ der Reichsvereinigung und führte die Geschäfte von seinem Büro aus. An zwei Abenden in der Woche hielt er im ehemaligen Gemeindehaus eine Sprechstunde ab. Er gehörte vor allem wegen seiner notwendigen Kontakte mit staatlichen und städtischen Dienststellen (insbesondere der „Arisierungsstelle“ und der Gestapo) zu den umstrittenen Persönlichkeiten innerhalb der jüdischen Gemeinschaft. Koronzcyk, dem von einigen Überlebenden Spitzeltätigkeit nachgesagt wurde, ist 1956 in München gestorben.