
Dr. med. Julian Marcuse
Neurologe, geboren am 01.08.1862 in Posen, verwitwet, deportiert am 29.07.1942 aus München nach Theresienstadt, ermordet am 02.12.1942 in Theresienstadt (23. Kislew 5703).
ElternJoseph Marcuse, Therese, geb. Asch
Ehepartner
-
Heirat am 01.01.1891 mit Maria Kolb, geboren am 19.02.1868 in Würzburg.
Die Ehe galt als Mischehe.
- Oskar Hans Joseph, geboren am 28.05.1892 in Würzburg
- Walter Ernst, geboren am 26.05.1896 in Mannheim
- Eva Hildegard Justina, geboren am 18.03.1907 in München
Adressen in München Zugezogen am 25.02.1907 von Mannheim
- Georgenstraße 119 , Soder (seit 25.02.1907)
- Adalbertstraße 44 , Rauch (seit 01.05.1908)
- Ludwigstraße 17 1/2 , Stranz (seit 05.10.1925)
- Pfeuferstraße 20 (seit 30.05.1932)
- Pfeuferstraße 20 (seit 08.06.1933)
- Holzberg bei Endorf (seit 19.06.1936)
- Ismaninger Straße 82 (seit 14.01.1936)
Dr. Julian Marcuse studierte Medizin in Würzburg, promovierte 1888 dort, erhielt am 12.01.1889 die Approbation mit der Note "gut", die ärztliche Approbationsurkunde wurde ihm im Februar 1889 ausgehändigt. Von 1905 bis 1924 war er ärztlicher Leiter der Sanatorium GmbH Ebenhausen (vormals Kurheim Ebenhausen, gegr. Juli 1905 - heute: Alten- u. Pflegeheim der Inneren Mission). Seine Familie und er wohnten in diesen Jahren auch dort. Bis 1935 betrieb er eine Praxis für Nervenmedizin sowie Magen-Darm-Stoffwechsel-Erkrankungen in der Pfeuferstraße 20. Er war SPD-Mitglied und stand im frühjahr 1919 auf Seiten der Sozialdemokraten, die sich gegen die Räterepublik aussprachen. Er war aktiv im Vorstand des "Vereins sozialistischer Ärzte" in München um den Arzt Miezyslaw Epstein (28.06.1868 Wloclawec - 13.09.1931 München). Außerdem betätigte er sich als gesundheitspolitischer Funktionär und Journalist in der SPD und in der Arbeiterwohlfahrt. Auch als Sexualhygieniker machte er sich einen Namen. Julian Marcuse schrieb regelmäßig Beiträge für "Die Neue Generation", das Publikationsorgan des Deutschen Bundes für Mutterschutz (gegr. 1905) in der Internationalen Vereinigung für Mutterschutz und Sexualreform; diese beiden Vereinigungen forderten die rechtliche Gleichstellung unehelicher Kinder und die Abschaffung der Diskriminierung ihrer Mütter, sie traten für eine Reform der Ehe und Einführung der Sexualerziehung in öffentlichen Schulen ein. Im April 1926 wurde ein geplanter Vortrag Dr. Marcuses in München von der Polizei verboten. Er sollte auf einer Frauenversammlung eine Rede über den Geburtenrückgang und sexuelle Fragen halten, er trat für eine Reform des § 218 ein. Im September 1932 hielt er in Brünn auf dem fünften Kongress der "Weltliga für Sexualreform" (gegründet 1928 in Kopenhagen, Leitung: Magnus Hirschfeld) einen Vortrag zum Thema Populationsprobleme. Er betrieb ein eigenes psychiatrisches Sanatorium in Holzberg bei Endorf (Obb.) und wohnte dort vom 01.11.1934 bis 14.01.1936 und ab Sommer 1936.
Julian Marcuses Sohn Walter Marcuse war ein bekannter Kunstmaler, er illustrierte unter anderem die Erstausgaben von Oskar Maria Graf "Wir sind Gefangene" (1927) und "Bayrisches Dekameron" (1928).
Sein Sohn Oskar, von Beruf Kaufmann, heiratete 1920 in München Hermine Neuburger, die nach der Scheidung den Anwalt Dr. Wilhelm Kronheimer heiratete; sie wurde in Auschwitz ermordet.
Seine Tochter Eva, Privatsekretärin, heiratete im September 1929 in München den Arzt Dr. Simon Jankoff Iwanoff (geboren 18.12.1904 Wratza, Bulgarien) und verzog nach der Heirat nach Rodenkirchen bei Köln.
Dr. Julian Marcuse (Transport-Nr. 974) kam am 30.07.1942 mit Transport II/20 nach Theresienstadt. Von den insgesamt 50 Personen dieser Deportation überlebten elf die Shoah. Laut Todesfallanzeige des Ältestenrates starb er am 02.12.1942 um 17 Uhr in der Krankenstube 6 in der Jägerkaserne an "Altersschwäche". Die Beisetzung fand zwei Tage später statt.
Werkauswahl:
Zur Geschichte der Krankenhäuser, in: Zeitschrift für Krankenpflege 21 (1899), S. 235-243, 251-263
Hydrotherapie im Altertum, Stuttgart 1900
Bäder und Badewesen in Vergangenheit und Gegenwart. Eine kulturhistorische Studie, Stuttgart 1903
Abraham Kuhn, Professor für Ohrenheilkunde, in: Anton Bettelheim (Hrsg): Biographisches Jahrbuch und Deutscher Nekrolog. V. Band - 1901, Berlin 1903
Körperpflege durch Wasser, Luft und Sport. Eine Anleitung zur Lebenskunst, Leipzig 1908
Geschlechtliche Erziehung in der Arbeiterfamilie. Berlin, 1908 (Arbeiter-Gesundheits-Bibliothek, Heft 15)
Die Beschränkung der Geburtenzahl, ein Kulturproblem. München 1913
Beitrag in: Die Neue Generation, 20. Jg. 1924 (Publikationsorgan des Deutschen Bundes für Mutterschutz in der Internationalen Vereinigung für Mutterschutz und Sexualreform, Leipzig, Oldenburg)
Beitrag in: Die Neue Generation , 24. Jahrgang, Berlin 1928
Julian Marcuse und Bernhardine Wörner, Die fleischlose Küche. Eine Auswahl aus den gleichnamigen großen Kochbuche für die Kriegszeit. München, 1916
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