Dr. med. Siegbert Tarrasch
Facharzt für Nervenleiden, geboren am 05.03.1862 in Breslau, verheiratet, gestorben am 17.02.1934 in München (02. Adar 5694).
ElternMoritz Tarrasch, Kaufmann in Breslau, Philippine, geb. Grabower (Graposroy)
Ehepartner
-
Heirat am 10.11.1924 in München mit Gertrude Schröder, geboren am 13.12.1892 in Dworatzken, Kr. Oletzko, Ostpreußen.
Die Ehe galt als Mischehe.
- Friedrich Max (Fritz, geboren am 11.03.1888 in Nürnberg
- Hans Richard, geboren am 06.07.1890 in Nürnberg
- Gretchen (Margarete, geboren am 07.07.1890 in Nürnberg
- Paul, geboren am 15.04.1892 in Nürnberg
- Hedwig, geboren am 23.05.1893 in Nürnberg
- Eva, geboren am 03.05.1897 in Nürnberg
Adressen in München Zugezogen am 01.01.1914 von Nürnberg
- Rheinstraße 22 (seit 30.09.1914)
Siegbert Tarrasch besuchte in Breslau die jüdische Grundschule und wechselte als 8jähriger auf das renommierte Gymnasium, die Elisabet-Schule. 1873, als er elf Jahre alt war, starb der Vater in New York. Die Mutter musste nun den Lebensunterhalt für sich und ihre beiden Söhne alleine erwirtschaften und betrieb eine Kohlenhandlung. Im Alter von 15 Jahren lieh ihm ein Schulkamerad ein Schachlehrbuch, das ihn fesselte und auf dessen Studium er sich begeistert stürzte. Schon bald zählte er zu den besten Schachspielern Breslaus. Nach dem Abitur studierte er von 1880 - 85 in Berlin, später in Halle Medizin. Eine Doktorarbeit ist nicht nachweisbar (Approbation 1885).
Während seiner Studienzeit in Berlin hatte er sich oft mehr dem Schachspiel als dem Studium gewidmet und sich dabei auch an ersten Turnieren beteiligt und Anfangserfolge errungen. Die Meisterwürde erwarb er im Nürnberger Hauptturnier 1883.
Seine erste Praxis eröffnete er in Geroldsgrün, Kr. Hof. In dieser Zeit lernte er seine erste Ehefrau Anna Rosalie (gen. Rosa), geb. Rudolf (geboren 21.09.1865 - 15.03.1940 in Nürnberg), Tochter des Spinnereidirektors Eduard Rudolf aus Hof kennen. Nach der Eheschließung am 21.05.1887 in Bamberg zog das Ehepaar nach Nürnberg, und Siegbert Tarrasch eröffnete in ihrer Wohnung in der Kanalstraße 2, später in der Fürther Straße 25, eine Praxis. Dieser Ehe entstammten die sechs Kinder. Tochter Grete Jira, verw. Bolz starb am 10.11.1976 in Berlin-Schöneberg.
In der Zeit zwischen 1889 und 1903 war Siegbert Tarrasch der erfolgreichste Turnierspieler der Welt. Er hatte den ersten Preis in Breslau 1889, Manchester 1890, Dresden 1892, Leipzig 1894, Wien 1898, Monte Carlo 1903 und Ostende 1907 gewonnen. Den Kampf um die Weltmeisterschaft 1908 verlor er gegen Emanuel Lasker, einen der bedeutendsten Schachspieler aller Zeiten. 1903 benannte sich der Nürnberger Schachclub nach seinem erfolgreichen Mitglied "Schachclub Nürnberg-Tarraschklub". Er baute die Theorien von Wilhelm Steinitz weiter aus und modernisierte sie. Das Weihnachten 1912 erschienene Lehrbuch "Die moderne Schachpartie" widmete er seinem Sohn Paul. Sein Werk "Das Schachspiel" (Erstausgabe 1931) wurde 1971 wieder neu aufgelegt. Außerdem gab er ab Oktober 1932 eine eigene Fachzeitschrift, "Tarraschs Schachzeitung" heraus. Sein Charakter wird folgendermaßen geschildert: "Tarrasch was a deep strategist and theoretician - follower of Steinitz and a tutor to the subsequent generations. Unfortunately, his excessive sincerity and intolerance of differing opinions made him estranged to other chess Players of his time. Regardless of his personal drawbacks, Tarrasch´s chess theories remain valid and active until today." (www.jewsinsports.org/profile.asp?sport=chess&ID=12, aufgerufen am 02.03.2005). Seine demonstrative Selbstsicherheit, verbunden mit Überheblichkeit kann als Reaktion auf sein körperliches Gebrechen der Gehbehinderung durch einen Klumpfuß erklärt werden. Er war autoritätsgläubig und hatte ein stark nationalistisch geprägtes Kultur- und Politikverständnis: Noch 1908 sympathisierte er mit dem "Alldeutschen Verband", einem Vorläufer der NSDAP. "Die Ereignisse des Jahres 1933 haben ihn zutiefst irritiert." In seiner Schachzeitung veröffentlichte er sowohl einen Aufruf zur Unterstützung des Schach-Großmeisters Rubinstein, der sich 1933 in bedrängten Verhältnissen befand, als auch die Ablösung der jüdischen Vorstände der Schachclubs und die erfolgte "Gleichschaltung" der "deutschen Schach-Gemeinde".
Siegbert Tarrasch starb am Morgen des 17.02.1934 an den Folgen einer Lungenentzündung.
Permalink für diesen Datenbankeintraghttps://gedenkbuch.muenchen.de/index.php?id=gedenkbuch_link&gid=9683