
Dr. phil. Paul Stern
Privatgelehrter, geboren am 02.08.1869 in Berlin, ledig, Suizid am 09.06.1942 in München.
ElternAugust Stern, Kaufmann, Therese, geb. Herz
Adressen in München
- Barer Straße 69 (seit 12.10.1899)
- Hohenzollernstraße 6 (seit 07.10.1903)
- Clemensstraße 4
- Knorrstraße 148
Dr. Paul Stern hatte Ende der 1880er Jahre Philosophie an der Kgl. Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin studiert. Er war vermögend und führte ein Leben als Privatgelehrter. In der Einbürgerungsakte (Stadtarchiv München) erscheint er als "Kunstgelehrter". Er war ein langjähriger enger Freund von Lotte Pariser, die wiederum seit ihrer Jugend mit Edith Cassirer (1886-1982), der späteren Ehefrau des Reformpädagogen Paul Geheeb, befreundet war. Vergeblich bemühte sich Lotte Pariser um eine gemeinsame Emigrationsmöglichkeit für sich und Paul Stern. Da sie den betagten Freund nicht alleine in Deutschland seinem Schicksal überlassen wollte, versäumte sie ihre eigene Emigration und wurde im Juni 1942 nach Theresienstadt und von dort aus am 28.10.1944 mit Transport Nr. 1952 nach Auschwitz in den Tod deportiert. Dr. Paul Stern verübte vier Tage nach Lotte Parisers Deportation Suizid (Schlafmittelvergiftung; Motiv lt. polizeilichem Register: "Umsiedlung") . Bereits am 21.05.1942 war er in der "Arisierungsstelle" von den Gestapo-Beamten Schrott und Mugler misshandelt worden.
Paul Stern hatte Kontakte zur Schwabinger Bohème - u.a. zu Karl Wolfskehl und Rudolf Hoerschelmann - und war ein Bekannter der Schriftstellerin Franziska von Reventlow, die er bei ihrem Roman "Herrn Dames Aufzeichnungen oder Begebenheiten aus einem merkwürdigen Stadtteil" unterstützte. In diesem Roman taucht er als der "Philosoph" auf. Zu den wenigen bekannten Veröffentlichungen Dr. Sterns gehört der Text "Einfühlung und Association in der neueren Ästhetik. Ein Beitrag zur psychologischen Analyse der ästhetischen Anschaung, Hamburg/Leipzig 1898".
Paul Sterns Nachlasspfleger war der Rechtsanwalt Dr. Hugo Rothschild.
Seine Halbschwester Gertrud Wertheim, geb. Neisser (geb. am 06.12.1878 in Berlin) wurde im Juni 1942 aus Berlin deportiert und in Majdanek ermordet (Gedenkbuch Berlins der jüdischen Opfer des Nazionalsozialismus, Freie Universität Berlin, Zentralinstitut für sozialwissenschaftliche Forschung, Edition Hentrich, Berlin 1995). Sie war mit Frank Wedekind befreundet, der in seinen Tagebüchern diverse Besuche gemeinsam mit Tilly bei Gertud Wertheim erwähnt (näheres dazu bei www.frankwedekind-gesellschaft.de/).
Der Sohn von Gertrud Wertheim (Paul Sterns Halbneffe) Franz Wertheim (geb. am 04.09.1913 in Berlin) wurde am 02.03.1943 aus Berlin deportiert und in Auschwitz ermordet (Gedenkbuch Berlins der jüdischen Opfer des Nazionalsozialismus, Freie Universität Berlin, Zentralinstitut für sozialwissenschaftliche Forschung, Edition Hentrich, Berlin 1995).
Paul Stern erwarb möglicherweise 1920 das Gemälde "Getreideernte" von Max Liebermann, das sich seit 1998 als Schenkung im LWL-Museum - Westfälisches Landesmuseum - Münster befindet und 2020 wegen des Verdachts der Raubkunst in den Medien und vom Museum selbst thematisiert wurde (https://www1.wdr.de/nachrichten/westfalen-lippe/lwl-liebermann-gemaelde-provenienz-100.html; www.wn.de/Muenster/4243305-Ausstellung-im-LWL-Museum-fuer-Kunst-und-Kultur-zur-Provenienzforschung-Die-Geschichte-hinter-den-Bildern). Die Provenienz des Gemäldes ist bislang (2020) ungeklärt.
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