Dipl.-Ing. Friedrich Siegfried (Fritz) Sänger
Diplomingenieur, geboren am 12.09.1891 in Augsburg, verheiratet, deportiert am 04.04.1942 aus München nach Piaski, ermordet in Piaski.
ElternJulius Sänger, Tiefbauunternehmer in Augsburg, Rosa Sänger, geb. Einstein
Geschwister
- Berta Sänger, geboren 26.06.1890 Augsburg, nach Piaski deportiert und ermordet
- Else Goetz, geboren 04.04.1893 Augsburg, emigrierte im September 1938 über Rotterdam nach Philadelphia, USA, gestorben 1956
- Alfred, geboren 03.09.1894 Augsburg, ermordet 25.11.1941 Kaunas
- Stephan Franz, geboren 02.04.1897 Augsburg, ermordet in Auschwitz
- Heirat am 20.02.1888 in Augsburg mit Irene Sänger, geb. Lehmann, geboren am 26.04.1904 in Nürnberg.
- Anneliese, geboren am 27.07.1933 in Augsburg
Adressen in München Zugezogen am 02.10.1939 von Augsburg
- Maria-Einsiedel-Straße 4 (seit 02.10.1939)
Friedich Siegfried "Fritz" Sänger kam als zweites Kind von Julius Sänger und seiner Frau Rosa, geborene Einstein, am 12. September 1891 in Augsburg zur Welt. Die jüdische Familie lebte seit 1881 dort. Auch seine Geschwister Berta, Else (Elsie), Alfred und Stephan Franz kamen in Augsburg zur Welt. Erhalten gebliebene Fotos zeigen eine glückliche Familie.
Bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs meldete sich Fritz Sänger 1914 freiwillig zum Dienst in der deutschen Armee; später wurde er mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet. Nach Beendigung seines aktiven Dienstes diente Fritz Sänger in der Reserve der deutschen Armee und erlangte den Rang eines Leutnants – für Juden in dieser Zeit eine große Ausnahme. Nach Kriegsende schloss Fritz Sänger 1919 sein Studium an der Technischen Hochschule in München mit einem Diplom als Bauingenieur ab. Er wurde Teilhaber des Familienunternehmens Kleofaas & Knapp, ein Hoch- und Tiefbaubetrieb in Augsburg. Am 23. August 1932 heiratete er die aus Nürnberg stammende Irene Lehmann. Ein Jahr später wurde Tochter Anneliese geboren.
Wie es Fritz Sänger und seiner Familie in den ersten Jahren der NS-Herrschaft erging, ist unklar. Am 11. November 1938 wurde er ebenso wie sein Bruder Alfred im Zuge der „Kristallnacht“ Dachau gebracht. Dort setzte ihn die SS so lange unter Druck, bis er das Familienunternehmen verkaufte und eine Lebensversicherung zugunsten von „Ariseuren“ auszahlen ließ. Fritz Sänger übergab das Unternehmen am 30. November 1938 im KZ Dachau. Zwei Wochen später wurde er am 15. Dezember 1938 entlassen. Er hatte nun keine Möglichkeit mehr, den Lebensunterhalt für seine Familie und sich zu verdienen, er hatte fast keinen Besitz und keine Rechte mehr. 1939 zog Fritz Sänger mit seiner Familie von Augsburg nach München in die Maria-Einsiedel-Straße 4. Er wurde Leiter der jüdischen Lehrwerkstätten am Biederstein und unterrichtete im Jüdischen Gemeindezentrum in einer Werkstatt für Holz- und Metallbearbeitung. Als die Gestapo 1939 die Räumung erzwang, wurde die Werkstatt in die ehemalige Synagoge in der Reichenbachstraße 27 verlegt. Bis 1941 erhielten dort rund 100 jüdische Jugendliche aus ganz Deutschland eine Ausbildung, die auch Fremdsprachen umfasste und sie auf die Emigration vorbereitete.
Aus Familienbriefen geht hervor, dass Fritz Sänger und seine Familie ab 1939 versuchten, in die USA zu emigrieren, aber es war inzwischen fast unmöglich, eine Bürgschaft eines US-Bürgers sowie andere für ein Visum erforderliche Dokumente und Geld für Schiffspassagen zu bekommen. Abgesehen davon gab es eng begrenzte Kontingente für US-Visa und die Wartelisten waren extrem lang. Der in Amerika lebende Bruder von Fritz Sängers Frau Irene, Stephen Lehmann, war untröstlich, dass er für die Familie keine Ausreise organisieren konnte.
Am 4. April 1942 wurde Fritz Sänger mit seiner Frau, seiner achtjährigen Tochter und seiner Schwester Berta in das Ghetto Piaski deportiert. Die Bedingungen dort waren barbarisch: Es gab kaum Lebensmittel und Medikamente, die Wohnräume waren völlig überfüllt. Wegen der harten Zwangsarbeit im Straßenbau überlebten viele den Sommer 1942 nicht. Der aus Brno stammende Arnold Hindel ist der einzige bekannte Überlebende aus dem Ghetto Piaski; er berichtete später von zu Skeletten abgemagerten Menschen, von denen viele kaum auf den Beinen stehen konnten. Als Sprecher des Münchner Transports und Mitglied des Judenrats kämpfte Fritz Sänger für die Verbesserung der Bedingungen in dem überfüllten Ghetto. Er erreichte die Instandsetzung der Ghettobäder und damit die Eindämmung von Typhus. Im Herbst 1942 wurde Fritz Sänger in das nahe gelegene Zwangsarbeitslager Sawin geschickt, wo er bei der Trockenlegung von Sümpfen eingesetzt wurde. Seine Frau und seine Tochter Anneliese durften mit ihm kommen. Seine Spur verliert sich im November 1942. Bis heute ist unklar, wann, wo und wie er ermordet wurde. Auch Irene, Anneliese und Berta Sänger überlebten die Shoah nicht, ebenso wie Fritz Sängers Brüder Alfred und Stephan Franz sowie seine Schwägerin Selma. Als einzige aus der Familie Sänger konnte Fritz Sängers Schwester Elsie in die USA emigrieren. (Text Nancy Freund-Heller; Lektorat C. Fritsche)
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